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Spannende Einblicke in die Geschichte Blombergs: Friedrich Oelgeschlägers Chronik der Gemeinde Blomberg erschien in 4. Auflage

Ein Beitrag von Dr. Heiko Suhr, Aurich

Abb. 1: Das Titelblatt der Publikation.

Friedrich Oelgeschlägers „Chronik der Gemeinde Blomberg“ liegt nun in der vierten überarbeiteten Auflage vor. Die Ursprünge dieses wertvollen lokalhistorischen Werks reichen zurück bis in die Jahre 1960–1966, als der damals gerade pensionierte Lehrer seine handschriftlichen Aufzeichnungen zur Geschichte der ostfriesischen Moorkolonie verfasste. Es ist der Tochter des Autors und weiteren engagierten Freiwilligen zu verdanken, dass diese handschriftlichen Notizen übertragen und 1996 erstmals in Buchform veröffentlicht wurden.

Ein besonderer Verdienst gebührt Herbert Böök, der 2023 sämtliche Rechte von den Erben der Tochter Oelgeschlägers erwarb und diese an die Gemeinde Blomberg übertrug, was die langfristige Verfügbarkeit dieser Chronik sichert und künftige Neuauflagen ermöglicht. Die vorliegende vierte Auflage ist zwar im Wesentlichen ein Neudruck, wurde jedoch durch Herbert Böök um ergänzte Bildbeschriftungen und einige Anmerkungen bereichert.

Interessanterweise wurde der ursprüngliche Vermerk „erstellt auf PC-Pentium 90 mit Wordperfect 6.0“ beibehalten; ein reizvoller Anachronismus, der zugleich die Entstehungszeit der ersten gedruckten Auflage dokumentiert und einen Hauch digitaler Nostalgie verströmt.

Der Autor Friedrich Heinrich Oelgeschläger (13.10.1891–03.04.1968) war tief mit der Geschichte Blombergs verbunden.1 Geboren in Herringhausen, legte er 1912 seine erste Lehrerprüfung in Osnabrück ab und trat am 1. Januar 1913 seine Stelle als zweiter Lehrer an der evangelischen Volksschule in Blomberg an. Seine berufliche Entwicklung führte ihn über die Position des ersten Lehrers (ab Dezember 1918) zum festangestellten Hauptlehrer (ab Oktober 1922), nachdem er 1921 seine zweite Lehrerprüfung abgelegt hatte. 1935 ernannte ihn das Staatsarchiv Aurich zu einem von mehreren ehrenamtlichen Archivpflegern im Kreis Wittmund, die im Sinne der NS-Volkstumspolitik Urkunden und Schriftstücke – vor allem vor dem Hintergrund des Ariernachweises – sammeln und erhalten sollten.2 Schon hier wird Oelgeschläger die Grundlage für seine Chronik gelegt haben. 1939 trat er schließlich der NSDAP bei und nahm als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil.

Abb. 2: Der Grabstein der Familie Oelgeschläger auf dem Friedhof Blomberg (Foto: https://www.grabsteine-ostfriesland.de)

Oelgeschläger wirkte bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1958 als Lehrer in Blomberg und kommt damit auf eine beachtliche Dienstzeit von 45 Jahren. Er blieb der Gemeinde auch im Ruhestand verbunden und verstarb dort am 3. April 1968. Sein Engagement spiegelt sich nicht nur in der Chronik wider, sondern auch in seinen Notizen „zur Unterrichtsgestaltung und zu Erziehungsfragen“ sowie zur „Junglehrerarbeitsgemeinschaft in Esens“, die beide im Auricher Landesarchiv aufbewahrt werden.3

Oelgeschlägers Chronik folgt dem klassischen Aufbau einer Ortsgeschichte und behandelt umfassend die Themenfelder Siedlungsgeschichte, Topographie, Verwaltungsgeschichte, Kirchengeschichte, Schul- und Bildungsgeschichte sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

Die Chronik beginnt mit einem knappen Überblick, der Blomberg als alte Moorkolonie vorstellt. Das folgende Kapitel zur Besiedlung Blombergs (S. 10–34) zeichnet ein detailliertes Bild der Kolonisation: Um 1760 bestand das Gebiet ausschließlich aus unbesiedeltem Hochmoor und gehörte zum Amt Esens. Nach dem Siebenjährigen Krieg wagten sich die ersten Siedler in diese unwirtliche Gegend.

Abb. 3: Faksimile der originalen Handschrift Oelgeschlägers (Oelgeschläger, Blomberg, S. 7)

Besonders wertvoll ist Oelgeschlägers Dokumentation der frühesten Kolonisten: Johann Heyen als erster Siedler auf dem Gebiet des späteren Blombergs, gefolgt von Steffen Saalburg aus Tecklenburg, der sich am 26. Februar 1770 als zweiter Pachtinteressent meldete. Die planmäßige Besiedlung begann um 1800, vorangetrieben vom Amt Esens, das Straßen ins Moor anlegen ließ. Entlang dieser Straßen schufen Moorvögte Kolonate, die anfangs auf wenig Interesse stießen. Erst um 1850 konnte das Gebiet als vollständig besiedelt gelten, mit 73 namentlich bekannten Kolonisten, die Oelgeschläger akribisch auflistet (S. 16–18). Aus der Analyse der Namen schließt der Autor, dass die Siedler vorwiegend aus Ostfriesland stammten, wahrscheinlich arme Leute von der Geest. Um 1900 war die Zahl der Häuser bereits auf 120 angewachsen – ein Beleg für den zähen Erfolg der Kolonisten unter widrigsten Bedingungen.

Ein umfangreiches Kapitel widmet sich der Verwaltungsgeschichte (S. 35–78). In den ersten Jahrzehnten erfolgte die Verwaltung durch den Amtmann in Esens, der auch für die Einsetzung der Moorvögte zuständig war. Ein wichtiger Meilenstein war das erste Gemeindestatut aus dem Jahr 1848, mit dem die Führung von Gemeindebüchern begann und ein Ortsvorsteher eingesetzt wurde. Diesem stand ein Gemeindeausschuss von neun Mitgliedern zur Seite, ergänzt durch einen sogenannten Gemeindediener.

Oelgeschläger veranschaulicht, dass die Instandhaltung der Wege und Gräben bis etwa 1900 die größte Belastung für die Siedler darstellte. Detailliert schildert er die Amtszeit des Kolonisten Eduard Heeren, der von 1898 bis 1929 als Gemeindevorsteher die Geschicke der Gemeinde lenkte und von den Einwohnern mitunter spöttisch als „König Eduard“ bezeichnet wurde.

In diesem Kapitel finden sich auch wertvolle Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung vom Torfabbau bis zum Buchweizenanbau, der bis 1930 betrieben wurde. Eindringlich beschreibt Oelgeschläger die große Armut um 1830, die viele Familien zur Auswanderung nach Nordamerika bewog. Mit bemerkenswerter Sorgfalt dokumentiert der Autor zahlreiche Auswandererfamilien aus Blomberg. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Krankenfürsorge, wobei der Autor die Pockenepidemie von 1872 sowie Typhus-Fälle bis 1927/1928 erwähnt.

Dem Schulsystem widmet Oelgeschläger als ehemaliger Lehrer ein besonders ausführliches Kapitel (S. 79–128). Er weist nach, dass Blomberg seit 1838 über eine eigene Schule verfügte, deren Gründung vor dem Hintergrund der großen Armut zu verstehen ist: neun von zehn Familien hätten das geringe Schulgeld für den Besuch auswärtiger Schulen nicht aufbringen können.

Der erste zu Ostern 1839 erstellte Bericht verzeichnete bereits 82 Schüler, die vom Lehrer Gerd Bruns Poppen unterrichtet wurden. Dieser musste seinen Lebensunterhalt durch Nebentätigkeiten als Schreiber aufbessern. Schon 1848 war die Schülerzahl auf 137 angewachsen, was das Gebäude an seine Kapazitätsgrenzen brachte und 1850 zu einer ersten Erweiterung führte. Als Nachfolger Poppens amtierte von 1857 bis 1875 Lübbe Harms Hicken. Mit dem Neubau des Schulgebäudes 1891 wurde auch eine zweite Lehrerstelle eingerichtet. Doch schon 1909 erwiesen sich die Räumlichkeiten erneut als zu klein. Ein geplanter Erweiterungsbau scheiterte zunächst am Ersten Weltkrieg und konnte erst 1934 realisiert werden.

Abb. 4: Die evangelische Kirche in Blomberg (nach 1954) (Bildarchiv der Ostfriesischen Landschaft)

Das Kapitel zur Kirchengeschichte (S. 129–152) beginnt mit der Feststellung, dass Blomberg ursprünglich kirchlich mit der Gemeinde Ochtersum verbunden war, ohne dort formal eingepfarrt zu sein. Ein erster Schritt zur kirchlichen Selbständigkeit war die Einrichtung eines eigenen Friedhofs auf dem Schulgelände, wo am 14. Juni 1849 mit der Beisetzung der Hebamme Riendelt Thaden die erste Bestattung stattfand. Die Chronik berichtet von der Errichtung der Kirche im Jahr 1870, die zunächst ohne Turm auskommen musste; die Glocke wurde auf einem Holzgerüst neben dem Gotteshaus aufgehängt. Erst 1954 erhielt die Kirche einen Turm. Oelgeschläger beschreibt ausführlich die traditionellen ostfriesischen Bestattungsrituale wie das bis 1962 praktizierte Leichensingen.

Ein wichtiges Datum war der 17. Juni 1870, als mit Christian Klunker der erste Pastor der Parochie Blomberg-Neuschoo einzog. Der aus Leer stammende und zuvor auf Juist tätige Geistliche wurde 1880 nach Loquard versetzt. Mit einer gewissen Resignation vermerkt Oelgeschläger, dass das kirchliche Leben in Blomberg „nie besonders rege“ gewesen sei. In diesem Kapitel findet sich auch ein Abschnitt über die Denkmäler der Gemeinde, insbesondere das am 29. Mai 1924 eingeweihte Ehrenmal für die Gefallenen und Vermissten des Ersten Weltkrieges.

Die Chronik wird abgerundet durch kleinere, aber nicht minder informative Kapitel, so über die Postverhältnisse (S. 153–156), die sich ab 1889 mit der Kleinbahn Ogenbargen-Esens erheblich verbesserten, wodurch ein Postagent die Post aus Dunum abholen konnte. 1926 wurden die ersten sieben Anschlüsse ans Fernsprechnetz eingerichtet. Auch über die Verkehrsverhältnisse (S. 157–165) berichtet die Chronik, wobei der Verfasser hervorhebt, dass durch den Moorweg von Anfang an Verbindungen nach Esens und Aurich bestanden, wobei traditionell Esens der wichtigere Bezugspunkt war. Die Molkerei (S. 167–176), die Windmühle (S. 177–181), die Läden und Kaufleute im Dorf (S. 182–187), die Wirtshäuser (S. 188–192) sowie Handwerk und Gewerbe (S. 193–202) werden ebenfalls behandelt. Ein besonderes Kapitel widmet sich schließlich dem für die Moorkolonie charakteristischen Buchweizenanbau (S. 218–221), der für die wirtschaftliche Existenz der frühen Siedler von großer Bedeutung war.

Besonders lobenswert ist Oelgeschlägers methodischer Ansatz: Er stützt seine Darstellung auf die amtliche Überlieferung – Steuer- und Abgabelisten, Schulkataloge, Kircheninventare und Kirchenbücher – und ergänzt diese durch eigene Erinnerungen, Beobachtungen und Forschungen im Sinne der Oral History. Der flüssige, gut lesbare Stil macht die Lektüre zu einem Vergnügen, das durch eine gelungene Bebilderung noch gesteigert wird.

Bei aller Wertschätzung für diese lokalhistorische Pionierarbeit sind einige kritische Anmerkungen angebracht. Die Gliederung weist gelegentliche Redundanzen auf, und nicht alle Kapitel sind gleichermaßen stringent strukturiert. Mitunter finden sich thematisch nicht passende Inhalte in einzelnen Kapiteln, beispielsweise wichtige Hinweise zum Wirtschaftsleben im Abschnitt über die innere Verwaltung. An manchen Stellen wäre zudem eine ausführlichere Kommentierung der Herausgeber wünschenswert, etwa bei der Erläuterung regionalspezifischer Begriffe. So erklärt Oelgeschläger beispielsweise den „Helmer“ nicht vollständig korrekt als hochgelegenen Weg, während es sich tatsächlich um einen Sackgassenweg ins Moor handelte, über den die einzelnen Parzellen zu erreichen waren und auf dem der getrocknete Torf abtransportiert werden konnte (S. 12).

Die einzige wirkliche Schwäche des Werkes liegt jedoch in seiner zeitlichen Begrenztheit. Die Chronik repräsentiert den Forschungsstand der späten 1960er Jahre und ist auch methodisch dieser Zeit verhaftet. Besonders auffällig ist die nahezu vollständige Ausblendung des Nationalsozialismus. Abgesehen von einigen knappen Hinweisen zum NS-Erbfolgegesetz und Widerständen dagegen aus Blomberg (S. 66) bleibt diese Epoche völlig im Dunkeln. Hier hätten die Herausgeber die Gelegenheit nutzen können, die Chronik durch neuere Forschungsergebnisse zu ergänzen und damit in die Gegenwart zu führen bzw. zumindest diesen Sachverhalt kommentierend anzumerken.

Diese kritischen Anmerkungen schmälern jedoch nicht den Wert dieser lokalhistorischen Arbeit, die vor allem die Entwicklung Blombergs von der Gründung bis zum Ersten Weltkrieg – und leider nur teilweise darüber hinaus – detailliert dokumentiert.

Friedrich Oelgeschlägers „Chronik der Gemeinde Blomberg“ bietet faszinierende Einblicke in die Frühgeschichte einer ostfriesischen Moorkolonie von ihren bescheidenen Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Besonders gelungen ist die Darstellung der Voraussetzungen und Herausforderungen der Moorkolonisation sowie der vielfältigen Aspekte des dörflichen Lebens. Trotz der zeitlichen Lücken bleibt die Chronik ein wichtiges Werk für jeden, der sich mit der Geschichte Blombergs und der ostfriesischen Moorkolonisation beschäftigen möchte.

Bibliographische Angaben: Friedrich Oelgeschläger, Chronik der Gemeinde Blomberg. Niedergeschrieben in der Zeit von 1960–1966, Blomberg 2023, 4. überarbeitete Auflage.

Dr. Heiko Suhr
(Red.: M.H.)

Heiko Suhr

Heiko Suhr ist Historiker und seit 2023 Leiter der Landschaftsbibliothek Aurich.

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  1. Vgl. zur Biografie Oelgeschlägers seine Lehrerpersonal- und seine Entnazifizierungsakte: NLA AU, Rep. 17/4, Nr. 994 und Rep. 250, Nr. 36933. []
  2. Jeversches Wochenblatt, 25.10.1935, S. 3. []
  3. Vgl. NLA AU, Rep. 230, Nrn. 108, 111. []

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Heiko Suhr (25. April 2025). Spannende Einblicke in die Geschichte Blombergs: Friedrich Oelgeschlägers Chronik der Gemeinde Blomberg erschien in 4. Auflage. Blog für ost-friesische Geschichte. Abgerufen am 22. Mai 2025 von https://doi.org/10.58079/13tcw


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